Brasilchen


    BRASILCHEN´S KLEINE WELT

 

Brasilchen war mein erstes, eigenes Pony.
Kennen gelernt habe ich ihn in einer Reitschule, wo der Besitzer mich dringend warnte ihn anzufassen. Er wäre sehr bissig.

Damals stand er in einer Box, zusammen mit einer Ziege namens Minnie.
Man sagt zwar, dass Ziegen kein Ersatz sind für pferdische Freunde, aber Brasilchen war glücklich mit Minnie und ich glaube Minnie auch mit ihm.

 

 

Von den meisten anderen Pferden des Hofes distanzierte sich Brasilchen - jedenfalls in den meisten Fällen.

Der Besitzer und Stalleigentümer erzählte mir, dass Brasil zwar schon öfter im Reitunterricht mitgegangen sei, aber dann hätte er selbst ihn immer aus der Box holen und ihn putzen müssen. Brasilchen, trotz seiner kleinen Größe, sei ganz und gar kein Kinderpony und ich solle aufpassen, dass meine Tochter nicht versucht ihn zu streicheln. 
Dies gestaltete sich ziemlich schwierig, denn Manuela (meine Tochter) hatte sich in das kleine schwarze Pony verguckt. Natürlich bekam sie große Ohren als sie hörte, dass man ihn reiten kann. Damit war für sie klar, dass Brasil "ihr" Reitpony werden würde.
Nach langem Betteln gelang es ihr sogar Manfred, den Besitzer, davon zu überzeugen, ihr das Pony zu satteln.

Umständlich griff Manfred um die beinahe noch geschlossene Boxentür herum, um im nächsten Moment blitzschnell in´s Halfter von Brasilchen zu greifen. Dann schob er langsam die Türe gerade so weit auf, dass das Pony auf die Stallgasse gehen konnte und machte die Tür dann schnell wieder zu, weil sonst Minnie garantiert mit raus gelaufen wäre. Und ..... wenn Minnie raus draußen wäre, so Manfred, dann hätte er das Pony sicher nicht mehr halten können. 
Ich muss sagen, dass ich da doch ein paar Fragezeichen im Kopf hatte. Ein erwachsener Mann sollte ein Shetlandpony nicht halten können???

Aber egal - später sollte ich sehen, dass er Recht hatte.

Nachdem Brasil dann gesattelt war, führte Manfred ihn in die Reithalle, sagte mir ich solle Manuela auf den Sattel setzen und übergab mir einen Führstrick, der in die Trense mit eingehängt war. Dann meinte er mir noch zeigen zu müssen, mit wieviel Abstand meine Hand von den Trensenringen weg zu sein hatte.
Manuela sagte nichts, obwohl ich glaube, dass sie das nicht so toll fand geführt zu werden. Schließlich hatte sie schon unzählige Male ein großes Pferd allein geritten. Manfred drehte sich im Weggehen noch um und warnte noch einmal, dass Brasilchen auch seine Hinterhufe zu nutzen wisse. Aber wenn ich den Führstrick so halten würde, wie er es mir gezeigt hätte, dann käme er wohl nicht an mich ran und Manuela solle sich notfall am Sattel festhalten.
Ich fand das alles mehr als merkwürdig und hätte Manuela am liebsten gleich wieder von dem Pony herunter genommen. Aber nun hatten wir Manfred so lange gequält, bis er uns Brasilchen endlich zum Reiten fertig gemacht hatte, dass ich mich nun nicht traute das ganze rückgängig zu
machen.
Eine kurze Zeit später, als sich die anderen und auch Brasil in Gang gesetzt hatten, war ich dann aber wieder beruhigt. Brasilchen marschierte neben mir her, Manuela war zufrieden und die Aufgaben die die Pferde gestellt bekamen (über Stangen gehen) meisterte Brasilchen mit Bravour.

Im Hinterkopf hatte ich allerdings wohl noch immer ein schlechtes Gefühl, denn als Brasil plötzlich aus irgend einem Grund etwas schneller wurde, erschrak ich so sehr, dass ich unweigerlich meine Hand auf dem Führstrick näher an den Trensenring bewegte, damit ich ihn besser halten konnte.
Natürlich war das ein großer Fehler. Brasilchen fühlte sich bedrängt und wahrscheinlich hat der Ruck am Strick auch noch weh getan und daher folgte die Rache auf dem Fuße. Das kleine Pony merkte aber sofort, dass er mich nicht treten konnte, weil ich zu nahe an ihm dran war, beißen konnte er auch nicht wegen der Trense und deshalb stieg er mich an. Meine Reaktion darauf war ihn am Hals fest zu halten und so standen wir in der Halle, Arm in Arm sozusagen und es sah aus als ob ich mit ihm tanzen wolle.
Da Brasilchen aber eher ein unsicheres Pony war, traute er sich nicht sich einfach wieder auf seine vier Beine zu begeben sondern blieb auf den Hinterbeinen stehen. Und ich meineseits traute mich nicht ihn los zu lassen. Wie es Manuela in diesem Moment erging kann ich nicht sagen. Ich wußte, sie saß nach wie vor im Sattel aber meine Konzentration galt hier erst einmal Brasil.

Nach endloser Zeit - ich glaube es waren mindesten 5 Sekunden - schafften wir es wieder nebeneinander zu stehen und weiter zu gehen. Im Laufe der Stunde versuchte mich Brasil noch ein paarmal zu treten, aber passiert ist Gott sei Dank nichts.

Nach der Reitstunde sattelte Manfred Brasilchen dann auch wieder ab und ließ ihn zu seiner Ziege in die Box.
Für mich stand allerdings fest:  NIE MEHR Brasilchen.

 

 

 

Brasilchen wurde später noch oft von Manuela geritten
Allerdings war sie da schon älter.
Die Steigbügel gingen an dem seltsamen Sattel nicht weiter runter zu stellen, deshal sah die Sitzweise von meiner Tochter immer etwas merkwürdig aus.

Aber zunächst ließ ich Brasilchen links liegen. Mir war das Pony suspekt und ich hatte Angst vor ihm. Ich sah  ihn mit den anderen Pferden auf der Weide. Es fiel auf, dass er immer nur mit "seiner" Ziege irgendwo herum stand und sich von den anderen abgrenzte. 

 

Dann - irgendwann - verstarben meine beiden Pflegepferde innerhalb von einem Monat. Zu Tode betrübt viel es mir sehr schwer noch zur Reitschule zu fahren. Die beiden leeren Boxen waren unerträglich für mich anzusehen.
Manfred machte mir den Vorschlag mich doch einfach einmal mit Brasil zu beschäftigen. Der hätte gar keine Bezugsperson und ich wäre doch auch mit Kastor gut klar gekommen. Kastor war eins meiner Pflegepferde. Er hatte Sattelzwang und scheute nicht davor zurück beim Satteln zu beissen. Hihi, das hört sich jetzt an, als wenn alle Pferde dieser Reitschule ein psychisches Problem hätten. Das stimmt aber nicht. Kastor und Brasilchen waren die Ausnahme. Kastor war ja auch, wenn man von seinem Sattelproblem absah ein ausgesprochen liebes Pferd und "eine Lebensversicherung im Gelände". Alle wollten immerzu Kastor reiten, aber satteln mußte immer ich. Warum auch immer, hatte Kastor Vertrauen zu mir und machte keine "Zicken" beim Satteln. Zwar legte er die Ohren an und drohte, aber ich durfte im den Sattel auflegen.

Brasil war jedoch noch eine ganz andere Hausnummer. Gereizt hat mich die Idee dann doch, zumal mir Brasilchen auch leid tat, dass sich so niemand mit ihm beschäftigte.

Also begann ich im Winter, als alle Ponys sich zum Beine vertreten einmal täglich in der Halle versammelten, Brasil mit dazu zu lassen. Ich machte allerdings immer nur die Boxentür auf, ließ ihn raus laufen und paßte auf, dass Minnie nicht mit raus rannte. Das tat mir zwar für die Ziege leid, aber ich hatte die Anweisung darauf aufzupassen. Sollte es doch einmal passieren, sollte ich Manfred holen und nicht selbst versuchen die Ziege wieder einzufangen.
Manchmal wollte Brasilchen aber nicht in die Halle zu den anderen Ponys. Dann blieb er in der Stallgasse stehen und machte dort Unfug, indem er alles was er finden konnte zwischen die Zähne nahm und testete, ob das fressbar war.
Da er immer die Ohren so arg anlegte wenn ich näher kam, half nur eins:  Ein Besen.
Mit dem Kehrgerät schob ich ihn dann ganz sanft und aus sicherer Entfernung vor mir her, bis auch er in der Halle angekommen war.
Ich selbst blieb allerdings immer lieber draußen stehen. Jedoch kam ich so in meinen Bemühungen um Brasilchen nicht weiter. So entschloss ich mich eines Tages auch einmal mit den Ponys in die Halle zu gehen und mit dem ein oder anderen zu spielen. Dabei merkte ich immer aus dem Augenwinkel heraus, dass ich von einem kleinen schwarzen Shetty beobachtet wurde. Aber er ließ mich in Ruhe. 
Ich näherte mich ihm im Laufe der Zeit immer mehr an, achtete aber darauf, dass immer eins der anderen Ponys zwischen uns stand. Das gab mir Sicherheit und Brasil glaube ich auch.

Nach einigen Wochen passierte es dann, dass ich die Ponys nach ihrem Auslauf wieder in die Boxen einsortieren sollte. Ich fing an die anderen der Reihe nach einzusammeln und raus zu bringen aus der Halle.
Nachdem drei schon weg waren, kam von hinten ein scharzes Shetty an mich heran. Ich schöpfte keinen Verdacht - ich glaubte es wäre Fee, eine ebenfalls schwarze Shettystute. Ich nahm "sie" also ans Halfter und bemerkte beim Aufmachen der Hallentür, dass ich Brasilchen an meiner Seite hatte. Nach dem ersten Schrecken war die Freude groß.

ER war zu MIR gekommen!

Im Verlauf der nächsten Wochen trieb ich Brasilchen zwar immer noch mit einem Besen in die Halle, aber er kam regelmäßig um mich zu beschnüffeln oder wenn es an der Zeit war wieder in die Box zu gehen, ließ er sich von mir ohne Probleme ans Halfter nehmen. Dann trippelte er neben mir her bis zu seiner Box. Sobald ich die Boxentür öffnete war es allerdings vorbei mit der Gemütlichkeit. Dann machte er jedes mal einen Satz nach vorn um schnell zu seiner Minnie zu kommen. 
Vorsichtig versuchte ich,wenn er von selbst zu mir kam, ihn auch einmal zu streicheln. Das ließ er dann auch zu. Aber wenn es genug war, ging er einfach wieder. Je öfter ich ihn anfasste und dann einfach auch gehen ließ, desto größer wurde anscheinend das Vertrauen, das er mir entgegenbrachte.Im Laufe der Zeit brauchte ich auch meine Besen nicht mehr.

 



Dieses Foto entstand, als Brasilchen schon einige Zeit den Kontakt zu mir suchte.
Im Vordergrund ist Brasilchen zu sehen, dahinter die Stute Fee mit ihrem kleinen Sohn Laiki
und der Schimmel Domino, der noch ein guter Freund von Brasilchen werden sollte.

Leider ist die Qualität des Fotos schlecht - aber es gibt kein besseres aus dieser Zeit in der Halle.

 

Zu Spaßen war allerdings nach wie vor nicht mit Brasilchen, wenn er mit seiner Ziege draußen war. An die Minnie durfte auch ich nicht heran. Trotz ZIege kam er aber später immer sofort zu mir, wenn er mich erspähte.

Das ging soweit, dass er sogar ins Büro der Reitschule, wo ich mittlerweile tätig war, hinein schaute und auch ins Haus kam, wenn die Haustür offen war.
Der Grundstein für unsere Freundschaft war gelegt.

Dann passierte etwas Schreckliches. Minnie, Brasilchen´s Ziege, starb.
Brasil stand nur mit hängendem Kopf in der Box, wollte nicht mehr raus, er rührte sein Futter nicht mehr an und im Ganzen war es ein Bild des Jammers wenn man ihn sah.
Also war meine Entscheidung schon am Tag nach Minnie´s Tod gefallen. Eine neue Ziege mußte her!!!

Ich hörte mich um und fand dann auch eine junge, schwarze Zwergziege. Ich taufte sie Lisa und holte sie mit dem Pferdehänger zum Hof. Ich bracht sie in die Reithalle und wollte Brasilchen dazu holen.
Als Brasil die Ziege in der Halle hörte, war er sehr aufgeregt. Kaum hatte ich die Türe auf gemacht, rannte er in die Halle und.....

..... sah Lisa und NICHT Minnie.

Im ersten Moment dachte ich er würde nach der Ziege schlagen. Er quietschte ganz laut und tänzelte herum. Dann drehte er sich herum stand wieder mit hängendem Kopf da. Man konnte es kaum mit ansehen.

Die erste Nacht mußte Lisa allein in einer anderen Box verbringen. Die Zwei auf engstem Raum in Brasilchen´s Box zusammen zu stellen, erschien mir doch zu gefährlich.
Am folgenden Tag brachte ich Lisa dann zu ihm. Nun war ich ja da und konnte beobachten was passierte.
Es passierte nichts, außer dass Brasilchen sehr schnell Interesse an Lisa fand und er sogar wieder ein wenig fraß. Ich war glücklich.
Es dauerte nicht sehr lang, da waren Lisa und Brasilchen unzertrennlich. Lisa mochte sich auch nicht mehr von ihm trennen.

Wir freuten uns, dass es den zwei Vierbeinern so gut ging und wunderten uns, wie schnell Lisa zunahm. Bald schon war sie kugelrund (oder eigentlich doch mehr quadratisch!) und wir überlegten uns nach einer Möglichkeit  sie so zu füttern, dass sie wieder normalgewichtig würde. Denn eins stand fest: DAS war nicht gesund.
Da sie aber mit Brasilchen das Futter teilte, fiel uns dazu erst einmal recht wenig ein. Und das war gut so!!!

Nach einiger Zeit kam ich nämlich morgens in den Stall und vermisste Brasilchen´s fröhliches Willkommens Gewieher.
Als ich in die Box sah, stand er da und schaute fasziniert in eine der Boxenecken. Dort stand Lisa und meckert vor sich hin. In der Ecke lag etwas weißes.....

..... oder besser gesagt etwas weiß-schwarzes. 

Wilma war geboren!!

 

 

 

 

Ich war erst einmal sehr erstaunt und verwirrt zugleich. Denn, dass Lisa trächtig war, als ich sie für Brasilchen kaufte, wußte ich nicht.

Das kleine Zieglein war so niedlich anzusehen. Und Brasilchen paßte bereits auf sie auf.

Bald schon mußten die zwei Ziegen mit Brasilchen umziehen in eine andere Box, weil es erstens zu eing wurde und zweitens die Boxenwände nicht bis zum Boden gingen. Sie waren nur an einem Gestänge oben eingehängt.

Die kleine Wilma, wie das Ziegenbaby ab sofort hieß, entdeckte sehr schnell, dass sie unter die Trennwand zur Nebenbox hindurch schlüpfen konnte und machte sich auch schon auf den Weg, ihre pferdischen Nachbarn zu besuchen. Das war natürlich zu gefährlich.und so zog die kleine "Familie" schnell um in eine größere, gemauerte Box, aus der Wilma auch nicht selbständig raus kam.

Wilma wuchs sehr schnell, machte lustig Ziegensprünge und erheiterte die Reitschüler, die alle kamen um sie zu bestaunen.

Brasilchen war ein geduldiger "Onkel", der viel über sich ergehen lassen mußte. 
Als Wilma gelernt hatte, dass sie springen konnte, hüpfte sie ständig auf in drauf, weil man von seinem Rücken aus hervorragend aus der Box rausschauen konnte.

Ihre junge Mama (sie war ja auch gerade mal ein Jahr alt) spielte mit ihr und lehrte sie wie Ziegen kämpfen. Auch Nachlaufen war ein beliebtes Spiel. Dabei ging es über Brasilchen´Rücken und unter seinem Bauch hindurch, rings um ihn herum usw.....

Das war überhaupt nicht schlimm für das Pony.
Allerdings fand er es überhaupt nicht komisch, wenn die Boxentür aufging und Lisa sowie Wilma die Box verließen.
Minnie war immer bei ihm gewesen - auch draußen.
Aber Lisa und Wilma mußte er erst einmal "erziehen". 
Ständig turnten die Beiden über die weite Weide und scherten sich zunächst einmal nicht darum wo Brasilchen war. 

Ich weiß nicht wie mein kleiner Freund das schaffte, aber irgendwann ließen sich die zwei Ziegen von ihm in die Box zurück treiben, wenn wir die Pferde rein holten.
Das war ausgesprochen praktisch für uns, denn wann immer wir kamen um sie wieder einzufangen, liefen sie weg. Dann mußten wir immer Brasilchen beauftragen sich darum zu kümmern, dass Lisa und Wilma wieder in ihre Box zurückkehrten. 
Diese Aufgabe übernahm er gerne. Wenn alle Drei wieder in der Box waren, bekam Brasilchen eine Belohnung, weil er so gut geholfen hatte. 

 

Jedoch war Brasilchen natürlich nicht nur Ziegenhüter, sondern er war auch ein ganz tolles Fahrpony. So machte ich damals oft mal eine kurze oder längere Ausfahrt mit meinem (mittlerweile gehörte er mir !) Lieblingspony. Solange wir unsere herkömmliche Runde fuhren war das alles sehr entspannt und schön, weil Brasilchen im Gelände auch sehr sicher war. Man mußte sich überhaupt keine Sorgen machen, dass er vor irgend etwas erschrak oder wegspringen würde.
Tja - allerdings waren diese Ausfahrten nur dann entspannt, wenn wir unsere gewohnte Runde machten. Wenn es weiter weg gehen sollte, streikte Brasilchen spätestens an der Abzweigung, an der wir sonst links abbogen um den Rückweg anzutreten. Dann blieb er einfach stehen und rührte sich nicht mehr vom Fleck. Und wenn er sich genervt fühlte, weil ich trotzdem versuchte ihn voran zu treiben, schaute er sich zu der Gig (die kleine zweichsige Kutsche die wir benutzten) um und begann gaaanz - gaaanz langsam rückwärts zu gehen und zwar so lange, bis die Gig im Graben hing. Dann blieb er wieder stehen und wartete, was ich jetzt wohl machen würde. Dabei schaute er sich sogar ganz frech nach mir um.
Was machte ich? Absteigen und ihn führen natürlich! 
Man hatte den Eindruck, dass das kleine Pony dann hoch zufrieden mit sich selbst war. 

Wenn wir dann von unseren Ausfahrten zurück kamen, durfte Brasilchen meist raus auf die Wiese. Da die Ziegen dann allerdings im Stall waren und auch blieben, schloss sich mein Pony mehr und mehr einem kleinen weißen Schimmel namens Domino an. Nach einigen Wochen waren die Zwei immer zusammen und manchmal  war auch Domino´s Sohn Laiki mit von der Partie. Die Drei verstanden sich prächtig.

Domino und Brasil wurden jedenfalls gute Freunde und so gingen Manuela und ich auch viel mit den beiden Ponys spazieren. Das tat Domino gut, weil er ein gravierendes Lungenproblem hatte, dass uns damals ohnehin sehr beschäftigte und wir nach einer Lösung suchten ihm zu helfen. Aber dazu später mehr.

 

Alle sechs Wochen kam der Hufschmied. Erstaunlicherweise benahm sich Brasilchen, wenn er an der Reihe war, bestens.
Es gab überhaupt keine Probleme. Still stand er da und ließ die Schmiede machen.

Nur dann kam der Sommer. Es war heiß und der Schmied entschloss sich die Pferde und Ponys draußen zu berunden. Brasilchen´s Weg zum Schmied führte aber genau auf die Weide zu. Kurz vor dem Balken, der die Pferde daran hinderte die Weide eigenständig zu verlassen, wollte ich mit ihm rechts abbiegen, weil sich dort eine Nische befand, in der der Schmied arbeitete.
Aber Brasilchen sah nur das leckere Gras, machte den Hals steif und rannte los. Vor dem Balken zog er den Kopf ein und schon war er drunter durch und ich hing über dem Balken - sehr zur Belustigung unseres Schmiedes und seines Gesellen.

Natürlich war er bis zum Ende der Weide gerannt, so dass ich ein ordentliches Stück laufen mußte um ihn wieder zurück zu holen.
Brav ließ er sich an den Führstrick nehmen und wir gingen über die nebenliegende Weide zurück.
In einem Bogen führte ich mein Pony wieder Richtung Hufschmied. Doch als wir gerade zu ihm abbiegen wollten, .....

Kurz :  Ich hing wieder über dem Balken und Brasilchen galoppierte fröhlich und albern buckelnderweise über die Weide davon. Natürlich bis an´s hinterste Ende.

Dieses Spiel spielte er dreimal mit mir.

Beim vierten Mal hatte sich der Schmied schon vor dem Balken postiert und versperrte Brasilchen so den Weg. Endlich konnte er mit der Arbeit beginnen. Aber er und sein Geselle haben sich schief gelacht. Das muß wohl unmöglich ausgesehen haben, wenn wir (Brasilchen und ich ) wieder einmal an ihnen vorbeigesaust kamen.

So zufrieden Brasilchen war, wenn wir (Manuela und ich) etwas mit ihm unternahmen - andere Menschen duldete er weiterhin nicht an oder gar in seiner Box.

Nach einer bestandenen Reiterpassprüfung wollte eine Reiterin damals Möhren an jedes Pferd verteilen. Dazu machte sie die Boxen auf. 
Das war ein Fehler mit Folgen als sie bei Brasilchen ankam. Der kam mit aufgerissenem Maul auf sie zugeschossen und biss ihr so kräftig in den Finger, dass die Fingerkuppe des Mittelfingers bis zum ersten Gelenk ab war. Wir waren entsetzt und allerdings auch erstaunt über die Reiterin, die Brasil schon jahrelang kannte und eigentlich hätte wissen müssen, dass man die Box von Brasilchen nicht einfach öffnen durfte. 
Die "Horror"geschicht sprach sich herum und deshalb achteten die Reiter der Ritschule nun doch darauf, Brasilchen in Ruhe zu lassen.Vorher meinten etliche Leute, dass so ein kleines Pony doch wohl nicht gefährlich sein könne und ignorierten oftmals die Warnungen von Manfred.
Jeder neue Reiter am Stall wurde umgehend davor gewarnt Brasilchen anfassen zu wollen. Jedem wurde gesagt, dass er gefährlich werden konnte.


Das Verhältnis zwischen Brasilchen und mir wurde dagegen von Woche zu Wochen immer inniger. Er vertraute mir wohl total, denn ich durfte mittlerweile sogar in seinem Beisein an Lisa und auch Wilma streicheln oder ihnen Leckereien zu geben. Und je mehr Brasilchen raus auf die Weide durfte um so stärker entwickelte sich seine Freundschaft zu Domino. Auch Laiki war immer gern gesehen bei den Beiden. 
Wenn die Drei zusammen auf der Weide waren, mußte man immer darauf gefaßt sein, dass sie sich "lustige" Sachen ausdachten. Nachfolgend ein Foto, das entstanden ist, nachdem sie wieder mal ausgebüchst waren. Wir mußten sie von einer Weide einfangen, auf die sie überhaupt nicht drauf durften. Wenn man in ihre Augen schaut, weiß man ungefähr das das Trio es faustdick hinter den Ohren hatte. :)
Wo sie zusammen auftauchten, war immer Stimmung.

Domino´s Lungenerkrankung und Brasilchen´s Agressivität gegenüber Kunden der Reitschule führten dazu, dass für die beiden Ponys ein Umzug anstand.
Sie zogen gemeinsam mit Lisa und Wilma in einen Offenstall.
Eigentlich war das das Beste was den Ponys passieren konnte. Trotzdem hatte ich eine schlaflose Nacht, als die Ponys in ihrem neuen Zuhause Einzug hielten. Ich fragte mich, ob sie sich wohl fühlen würden, vor allem nachts, wenn es kälter wurde. Außerdem machte ich mir Sorgen, ob der Zaun sie aufhalten könnte, wenn sie wieder einmal die Lust verspürten auszubüchsen? Daher fuhr ich am nächsten Tag schon morgens zu ihrem neuen Quartier um nach ihnen zu sehen.
Da standen dieVier - kein bißchen verängstigt oder verunsichert - draußen im Paddock und wieherten bzw. meckerten mir fröhlich entgegen. Sie hatten also nicht versucht zu flüchten. 
Schnell wußten sie, dass sie sich jederzeit draußen bewegen konnten während drinnen Heu, Wasser und warme Einstreu auf sie wartete. Man hatte den Eindruck, dass sich die vier Freunde so richtig gut fühlten. Lisa und Wilma hüpften und sprangen im Paddock umher und hielten zunächst Brasilchen ganz schon auf Trab. 
Aber es dauerte nicht lange, da ließ Brasilchen sie gewähren, denn er merkte sehr zügig, dass seine kleinen Freunde genauso wenig den Paddock verlassen konnten, wie er selbst. 
Nach einiger Zeit war aus Brasilchen ein ganz anderes Pony geworden. 
Er war überhaupt nicht mehr gestresst oder aggresiv. Er entwickelte sich zu einem ausgesprochen zufriedenen Pony, das sich sogar von fremden Menschen streicheln ließ. Er ging mit uns spazieren und war auch so immer dabei, egal was wir gerade machten wenn wir am Stall waren. Auch die Ziegen durften sich mittlerweise mehr als zwei Meter von ihm entfernen.  Sie genossen ihre "große Freiheit" sehr.

Die Vier relaxten in der Mittagszeit vor den Boxentüren auf dem Paddock und haben mir oft einen Schrecken eingejagd, wenn sie da platt wie eine Flunder im Sand lagen. 
Bei den nachfolgenden Bildern hatte mich Brasilchen bemerkt, als ich den Weg hinunter ging. Deshalb war er schon aufgestanden.
 

 

Brasilchen, die Zeit mit Dir war eine der schönsten in meinem Leben. Irgendwann werden wir uns wiedersehen. Bis dahin wirst Du in meinem Herzen weiter leben.

Mach es gut mein Freund!

 

 


20.09.2005